Marcin Rusak: Die Kunst mit der Vergänglichkeit

Ein Interview mit einem zeitgenössischen "Blumen"-Künstler

Es ist nicht einfach Marcin Rusak zu interpretieren. Er ist ein Kreativer, Designer, Künstler und stammt aus einer Gärtnerfamilie. Auch seine Arbeit ist äußerst vielfältig. Von großen Skulpturen bis zu Alltagsgegenständen, wie einem Blumenschirm, einem Tisch oder einer Vase. Diese sind jedoch nicht so, wie man sie gewöhnlich kennt. Die Arbeiten von Marcin Rusak zeigen den Prozess der Vergänglichkeit mit Blumen, die in seinen Arbeiten allmählich altern und dabei ihr Aussehen verändern. Seine Entwürfe haben alle eine individuelle Lebensdauer, diese reicht von einigen Monaten bis zu zehn Jahren. Kurz gesagt: eine interessante Materie. Wir haben ihn interviewt und mit ihm über seine Arbeit, sein Leben und seine Leidenschaften gesprochen.

Marcin Rusak Expose 20 Mooiwatbloemendoen.nl

Blumen als Material

„Ich war an einer Schule, an der man einfach experimentieren durfte und konnte. Irgendwann habe ich über Blumen als Material nachgedacht. Wenn man sich ihnen annähert, wie an Holz, Metall oder Keramik, erkennt man bald auch alle Anwendungsmöglichkeiten und -arten für Blumen. Ich hatte ausreichend Gelegenheit, eine ganze Palette von Einsatzmöglichkeiten zu kreieren. Mit Harz – einem anderen Material, das ich schon früher eingesetzt habe – habe ich für mich die ideale Kombination gefunden. Schließlich habe ich damit begonnen, den Blumen Bakterien zu injizieren, um das Material altern zu lassen und sie so verwandelt in Harz zu gießen. Blumen sind für mich als Künstler nicht charakteristisch. Sie sind ein einzelnes Werkzeug, ein Material, mit dem ich das unterstreichen kann, worüber ich nachdenke. In einem nächsten Projekt kann das etwas ganz anderes sein.  

Erfolg durch Erkennen

Die Arbeiten von Marcin Rusak wurden gut aufgenommen, als er seine Kreationen auf verschiedenen internationalen Messen ausstellte. „Ich glaube, dass ich damit großes Glück gehabt habe. Weil die Menschen meine Arbeiten tatsächlich anschauen, sehen und anfassen konnten, haben sie wirklich Tiefgang. Buchstäblich und im übertragenen Sinne. Ich denke, dass der Erfolg der Kollektion Flora unter anderem an der Kombination von Ästhetik und Veränderlichkeit liegt. Die Menschen erkennen, dass es in meiner Arbeit einen vergänglichen und einen lebendigen Teil gibt. Dieses Spannungsfeld begeistert die Leute.”

"Die Menschen erkennen, dass es in meiner Arbeit einen vergänglichen und einen lebendigen Teil gibt. Dieses Spannungsfeld begeistert die Leute."

Vom Abfall zum Prunkstück

„Ich verwende viele Blumenreste. Blumen, die woanders weggeworfen werden. Von Floristen oder große Arrangeuren. Ganz zu Anfang bin ich auf Märkte gegangen und habe im Abfall nach verwertbaren Blumen gesucht. Damit konnte ich natürlich nichts anfangen. Vor allem nicht während der bitterkalten Morgenstunden im Winter. Letztlich habe ich dann spezielle Arbeitsbeziehungen zu Floristen aufgebaut. Dort kann ich vorbeikommen und in ihrem Geschäft aus den Blumen auswählen, die sonst weggeworfen würden. Blumen, die bei großen Projekten übrig bleiben oder die einfach nicht mehr verkäuflich sind. Es ist etwas Besonderes, ein zeitlich begrenztes oder dauerhaftes Kunstwerk zu schaffen, mit einem natürlichen Produkt, das man normalerweise nicht länger als zwei Wochen im Haus stehen hat. Normalerweise wirft man einen Blumenstrauß weg, wenn er beginnt sich zu verfärben. Aber bei meinen Arbeiten beginn genau dann der eigentlich schönste Teil des Prozesses. Die fünfzig Beigetöne, die dabei entstehen, geben mir mehr als eine einzelne schöne Farbe. Die Blumen, die man im Laufe ihres Verfalls kaum wiedererkennen kann, sind meine Favoriten. Damit kann keine andere Blume in der Blüte ihres Lebens konkurrieren.”  

Künstlerische Phase

„Meine Arbeit hat als eine Art Reaktion auf die heutige Konsumgesellschaft begonnen. Denn wir kümmern uns am Ende des Tages doch nicht umviele Dinge, die wir in unserem Leben eigentlich als wichtig erachten. Und am Ende verfallen sie und  uns egal, was letztendlich damit passiert oder wie damit umgegangen wird. Indem man einem Objekt ein Zeitlimit gibt, wird die betreffende Person über den Wert der noch zur Verfügung stehenden Zeit nachdenken. Nehme beispielsweise eine Vase. Wenn eine Vase einen Sammlerwert hat, sie aber nicht an die nächste Generation weitergegeben werden kann, wird man eine besondere Bindung dazu aufbauen. Die Dinge, die ich mache, haben jeweils ihre eigene Lebensdauer. Diese kann von einem halben Jahr bis zu einem Jahrzehnt variieren. Es hängt davon ab, mit wie viel Sorgfalt wir die Dinge behandeln und von den externen Faktoren, von denen wir sie beeinflussen lassen. Hitze oder Feuchtigkeit können meine Arbeit schimmeln oder schmelzen lassen, und sie sollte im Haus nicht zu viel direktem Sonnenlicht ausgesetzt werden, dann kann man sie viel länger genießen. Einige meiner Arbeiten könnten im Garten in ein paar Monaten zerfallen.“

"Einige meiner Arbeiten könnten im Garten in ein paar Monaten zerfallen."

Städte-Hopping

„Ursprünglich stamme ich aus Polen. Dort bin ich aufgewachsen und erwachsen geworden. Als ich 23 Jahre alt war zog ich für mein Studium in die Niederlande. Nach meinem Diplom ging ich nach London, weil diese Umgebung für mein Fachgebiet so interessant ist. Es gibt viele Festivals, Veranstaltungen, Galerien und Messen. Ich bin ständig in Bewegung. London, Rotterdam, Warschau – das sind die drei Orte, von denen aus ich agiere. Zum Glück, denn wenn ich zu lange an einem Ort leben und arbeiten würde, hätte ich wohl das Gefühl umziehen zu müssen. Zurzeit arbeite in Rotterdam, um dort zwei Installationen anzufertigen. Super schwere Esstische, komplett schwarz. Einer von ihnen geht nach London, der andere nach New York. Ich habe die letzten sechs Monate daran gearbeitet. Der Ausgangspunkt war zunächst, die richtigen Blumen zu finden und bald danach die Metallkonstruktion zu bauen. Wenn sich alles zusammenfügt, wird es hoffentlich zu einer spannenden Kreation.“

Im Gewächshaus aufwachsen

„Ich bin im Gewächshaus aufgewachsen. Meine Familie hat eine lange Geschichte als Blumenproduzenten. Weit vor 1900 bis zu meiner Geburt 1987. Für mich war es ganz natürlich zwischen verlassenen Gebäuden und Orangerien zu spielen und zu bauen. Es war normal und kannte es nicht anders. Als ich aufwuchs, sah ich hauptsächlich Verfall. Gebäude, aber auch die Blumen, die zurückblieben. Erst an der Kunstakademie habe ich die Dinge eher nach Dekorationsgesichtspunkten betrachtet. Sehr häufig erfolgt das Verschönern von Dinge mit Hilfe der Natur. Ich glaube, deshalb habe ich wieder mit Blumen gearbeitet. Ein Kreislauf des Lebens, mit dem ich mich seit mehr als zwanzig Jahren befasse.“

Zusammenarbeit & Signatur

„Als ich damals begonnen habe, machte ich alles selbst. Das Sammeln der Blumen, die ganze Administration, bis hin zum Fotografieren für meine Website. Zum Glück habe ich jetzt die Möglichkeit, die richtigen Leute hinzuzuziehen und mich auf ihr Fachwissen zu verlassen. Manchmal arbeite ich eher als Solist an einem Projekt, und bei anderen Gelegenheiten arbeite ich mit einem Partner zusammen. Meine Arbeit ist immer recht eindeutig. Ich mag minimalistische, klare Linien und überlasse den Materialien die Bühne. Wie ein Objekt am besten zur Geltung kommt, hängt von der Arbeit ab. Es macht mich immer sehr froh, wenn Kunden mir Fotos davon schicken, wo eine Kreation stehen wird. Sicher, ein besonders schönes Haus ist ein idealer Ort. Aber letztendlich geht es darum, wie natürlich das Licht seinen Weg durch die Arbeiten findet. Dann treten alle Schatten und die verborgenen Ebenen hervor. Also ja, ich würde sagen, jeder Ort mit natürlichem Licht ist der ideale Ort für einen Marcin Rusak.“ 

MEHR ÜBER MARCIN?

Ansehe auch das zugehörige dazu Video an.